FG Köln v. 14.12.2022, 2 K 1923/20

Kapitalertragsteuererstattung: Festsetzungsverjährung eines Freistellungsanspruchs nach § 32 Abs. 5 KStG

Anders als z.B. § 50d Abs. 1 EStG a.F. bzw. § 50c Abs. 3 EStG i.d.F. des AbzStEntlModG vom 2.6.2021 (BGBl I 2021, 1259) sieht § 32 Abs. 5 KStG keine Antragsfrist vor. Gleichwohl ist ein Antrag nicht unbefristet, sondern nur bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung gem. §§ 169 bis 171 AO möglich.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine auf Zypern ansässige Kapitalgesellschaft. Sie war zunächst eine Limited und hat nach einer Umwandlung in eine Public Company Limited ihre derzeitige Rechtsform einer SE angenommen. Die Anteile an ihr wurden im streitgegenständlichen Jahr 2008 zu 95 % von der B Ltd. mit Sitz auf den Bermudas und zu 5 % von der C Ltd. mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln gehalten. Im Streitjahr belief sich der Anteil der Klägerin auf rund 7 %.

Auf eine aus dieser Beteiligung im Jahr 2008 zugeflossene Gewinnausschüttung i.H.v. über 6 Mio. € wurde Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag i.H.v. rund 1,2 Mio € einbehalten und abgeführt. Im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 DBA Deutschland-Zypern erfolgte mit Freistellungs- und Erstattungsbescheid vom 15.1.2009 eine Teilentlastung bis zum Reststeuersatz von 15 % (Erstattung von Kapitalertragsteuer i.H.v. 300.251 € zzgl. 66.055 € Solidaritätszuschlag.

Im November 2013 beantragte die Klägerin die Erstattung der verbliebenen Kapitalertragsteuer gem. § 32 Abs. 5 KStG i.H.v. 900.75 €. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag, ebenso wie die gleichzeitig für die Jahre 2009 bis 2012 gestellten Anträge, mit Bescheid vom 3.10.2015 ab.

Das FG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist bei BFH unter dem Az.: I R 8/23 anhängig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Erstattung von Kapitalertragsteuer für das Jahr 2008, da zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Die Klägerin erfüllt zwar hinsichtlich der von ihr beantragten Kapitalertragsteuererstattung sowohl die subjektiven Voraussetzungen als auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen gem. § 32 Abs. 5 KStG. Infolge des EuGH-Urteils vom 16.6.2022 (C-572/20) ist nunmehr auch § 32 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 KStG nicht mehr im Streit. Allerdings war zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung im November 2013 hinsichtlich der Gewinnausschüttung 2008 bereits Festsetzungsverjährung des sich aus § 32 Abs. 5 KStG ergebenden Erstattungsanspruchs eingetreten. Für den gem. § 32 Abs. 5 Satz 1 KStG erforderlichen Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung gelten, mangels einer ausdrücklich geregelten Antragsfrist, die allgemeinen Verjährungsfristen gem. §§ 169 bis 171 AO.

Anders als z.B. § 50d Abs. 1 EStG a.F. bzw. § 50c Abs. 3 EStG i.d.F. des AbzStEntlModG vom 2.6.2021 (BGBl I 2021, 1259) sieht § 32 Abs. 5 KStG keine Antragsfrist vor. Gleichwohl ist ein Antrag nicht unbefristet, sondern nur bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung gem. §§ 169 bis 171 AO möglich. Denn bei einem Freistellungsbescheid gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO, der gem. § 32 Abs. 5 Satz 6 KStG die Grundlage der Erstattung bildet, finden in Folge der Gleichstellung mit einem Steuerbescheid die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung gem. §§ 169 bis 171 AO Anwendung. Entsprechendes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung speziell zu § 32 Abs. 5 Satz 6 KStG, wonach für den Erlass und die Korrektur des Freistellungsbescheids nach Satz 6 die allgemeinen Vorschriften der AO (insbesondere §§ 155 bis 177 AO) gelten sollen.

Die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Regelungen zur Festsetzungsverjährung ist nicht auf ab dem Kalenderjahr 2013 zugeflossene Kapitalerträge begrenzt. Anders, als nach Auffassung der Klägerin, enthalten die Regelungen zum zeitlichen Anwendungsbereich von § 32 Abs. 5 KStG in § 34 Abs. 13b Sätze 3 bis 5 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rs. C-284/09 (BGBl. I 2013, 561) keine derartige Einschränkung. Anders als die Klägerin meint, soll mithin die Neuregelung nicht voraussetzungslos bis zum Systemwechsel rückwirkend anwendbar sein.

Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.05.2023 14:44
Quelle: Justiz NRW

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