FG Münster v. 11.2.2022, 2 V 1478/21 F

Zur Frage der Zuständigkeitskonzentration für den Erlass von Feststellungsbescheiden nach § 18 AStG

§ 12 Nr. 3 FA-ZVO verstößt nicht gegen Art. 31 GG. Diese Norm beruht auf der bundesrechtlichen Verordnungsermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG. Ein Widerspruch zu § 18 Abs. 2 AStG scheitert bereits daran, dass diese Norm (nur) die örtliche Zuständigkeit regelt. Zuständigkeitskonzentrationen führen dazu, dass das bisher zuständige Finanzamt die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben verliert, das zentral zuständige Finanzamt wird für die übertragene Aufgabe sachlich und in seinem Bezirk zugleich örtlich zuständig.

Der Sachverhalt:
Die Antragsteller zu 1) und 3) sowie der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2) waren Gesellschafter der in Hongkong ansässigen J Ltd., an deren Vermögen sie jeweils zu 1/3 beteiligt waren. Der Antragsteller zu 2) ist 2021 verstorben; ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde nicht gestellt. Ausweislich einer in englischer Sprache vorliegenden Bilanz erzielte die J Ltd im Jahr 2016 einen Überschuss.

Gegenstand des Unternehmens der J Ltd. sind Agentur- und Handelsgeschäft diverser Art. Ihre Geschäftsführer waren der Antragsteller zu 3) und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2). Zu der Tätigkeit der J Ltd. führte der Steuerberater der Antragsteller mit Schreiben vom 27.8.2020 u.a. aus: der Geschäftsumfang der J Ltd. sei nicht so sehr hoch, dass eine ständige Anwesenheit eines Geschäftsführers vor Ort erforderlich sei; das operative Geschäft werde von einem Angestellten als Sachbearbeiter geführt; das Agenturgeschäft umfasse im Wesentlichen die Qualitätskontrolle der J Ltd. für die J GmbH, der Umfang der Geschäftstätigkeit der J Ltd. sei deutlich geringer als der der J GmbH in Deutschland.

Eine Besteuerung der Einkünfte der J Ltd. in Hongkong erfolgt nicht. Die Antragsteller zu 1) und 3) und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2) hatten für das Feststellungsjahr 2016 keine Steuererklärung abgegeben. Am 9.2.2021 erließ das Finanzamt gegenüber den Antragstellern den Feststellungsbescheid 2016. Hierin wurde, ausgehend von einer niedrigen Besteuerung der J Ltd. Gem. § 8 Abs. 3 AStG im Schätzungswege ein Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG i.H.v. 750.000 € festgestellt und den Feststellungsbeteiligten jeweils zu 1/3 zugerechnet.

Hiergegen legten die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. am 19.3.2021 Einspruch ein und beantragten AdV. Am 22.3.2021 lehnte das Finanzamt die beantragte AdV ab. Auch vor dem FG blieb der Antrag erfolglos. Allerdings wurde die Beschwerde zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides 2016.

Das Finanzamt war für den Erlass des Bescheides zuständig. Die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 FA-ZVO i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG i.V.m. § 16 AO liegen vor. Der Feststellungsbescheid betrifft die Durchführung der §§ 7 ff. AStG. Entgegen der Auffassung der Antragsteller verstößt § 12 Nr. 3 FA-ZVO nicht gegen Art. 31 GG. Diese Norm beruht auf der bundesrechtlichen Verordnungsermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG. Ein Widerspruch zu § 18 Abs. 2 AStG scheitert bereits daran, dass diese Norm (nur) die örtliche Zuständigkeit regelt. Zuständigkeitskonzentrationen, wie im Streitfall durch die vorstehenden Normen, führen dazu, dass das bisher zuständige Finanzamt die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben verliert, das zentral zuständige Finanzamt, im Streitfall der Antragsgegner, wird für die übertragene Aufgabe sachlich und in seinem Bezirk zugleich örtlich zuständig. Die Zuständigkeit folgt nicht aus § 18 Abs. 2 AStG, der die örtliche Zuständigkeit regelt.

Auch die Voraussetzungen der §§ 7 ff., 18 AStG liegen im Streitfall vor. Entgegen der Auffassung der Antragsteller handelt es sich bei den Einkünften der J Ltd. um Einkünfte, für welche sie Zwischengesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG gewesen ist (sog. passive Einkünfte). Anhaltspunkte dafür, dass diese passive Tätigkeit Ausfluss einer aktiven Tätigkeit der J Ltd. ist, wie die Antragsteller behaupteten, waren vor dem Hintergrund der Tätigkeit der J Ltd. nicht ersichtlich.

Die J Ltd. Hatte als Zwischengesellschaft Einkünfte i.S.d. § 8 AStG erzielt. Ihre Einkünfte sind aus Dienstleistungen erzielt worden, die nicht von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfasst sind. Die (Ausschluss-)Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) AStG liegen vor. Die J Ltd. hat sich als ausländische Gesellschaft für ihre Dienstleistung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gem. § 7 AStG an ihr beteiligt ist oder einer einem solchen Steuerpflichtigen i.S.d. § 1 Abs. 2 nahestehenden Person, bedient, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich des AStG steuerpflichtig ist, nämlich dem an der J Ltd. beteiligten Antragsteller zu 3) und dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2) als Geschäftsführer. Auch haben die Einkünfte der J in Hongkong einer niedrigen Besteuerung unterlegen.

Gegen die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung bestehen auch keine ernstlichen Zweifel in unionsrechtlicher Hinsicht. Allerdings hat die Sache vor dem Hintergrund der gegen das Urteil des BFH vom 30.9.2020, Az.: I R 12/19 u.a. eingelegten Verfassungsbeschwerde 2 BvR 923/21 grundsätzliche Bedeutung, weshalb die Beschwerde zum BFH zugelassen wurde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.03.2022 14:51
Quelle: Justiz NRW

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