Aktuell in der ISR

Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6) – praxisrelevante Abgrenzungsfragen im Lichte des BMF-Schr. vom 29.3.2021 (Zöller/Weber, ISR 2021, 228)

Das BMF hat mit Datum vom 29.3.2021 das finale Schreiben zur Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen veröffentlicht. Der vorliegende Beitrag stellt zunächst Änderungen des finalen BMF-Schr. gegenüber der zuletzt veröffentlichten Entwurfsfassung vom 14.7.2020 überblicksartig dar. Anschließend werden praxisrelevante Abgrenzungsfragen zu ausgewählten Aspekten der Mitteilungspflicht nach §§ 138d ff. AO diskutiert, die sich zum Teil aus den dargestellten Änderungen im BMF-Schr. vom 29.3.2021 ergeben. Einige Besonderheiten sind dabei in Konstellationen mit Personengesellschaften zu beachten.


I. Änderungen im finalen BMF-Schr. vom 29.3.2021

II. Begriffsbestimmungen

1. An der Gestaltung Beteiligte

a) Abgrenzung des Nutzers vom anderen an der Gestaltung Beteiligten

b) Besonderheiten bei Personengesellschaften

2. „Betroffene“ Staaten

3. Relevanztest

a) Steuerlicher Vorteil

b) Hauptvorteil

III. Steuergestaltung

IV. Ausgewählte Aspekte zu Kennzeichen mit Relevanztest

1. Standardisierte Struktur oder Dokumentation

2. Umwandeln von Einkünften

3. Zirkuläre Vermögensverschiebungen

V. Ausgewählte Aspekte zu Kennzeichen ohne Relevanztest

1. Zahlungen an nicht ansässige Empfänger

2. Verrechnungspreisgestaltungen

VI. Fazit


I. Änderungen im finalen BMF-Schr. vom 29.3.2021

Das BMF-Schr. enthält insbesondere folgende hervorzuhebende Änderungen gegenüber der Entwurfsfassung vom 14.7.2020:
 

  • zum Begriff des anderen an der Gestaltung Beteiligten (Rz. 19, 22),
  • zum Begriff der Betroffenheit von Staaten (Rz. 31) sowie
  • zu einzelnen Kennzeichen (Verlusterwerb [Rz. 136], Einkünfteumwandlung [Rz. 142], zirkuläre Vermögensverschiebungen [Korrektur Redaktionsversehen, Rz. 144], Ansässigkeit des Zahlungsempfängers [Rz. 160], mehrfache Steuerbefreiung [Rz. 166]).


Im Rahmen der Begriffsbestimmungen stellt das BMF-Schr. im Zusammenhang mit dem Begriff „andere an der Gestaltung Beteiligte“ nunmehr klar, dass ein Gesellschafter nicht allein aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Zustimmung zur Durchführung einer Steuergestaltung als aktiv in die Gestaltung eingebunden anzusehen ist. Gesellschafter einer Personengesellschaft und Gemeinschafter einer Gemeinschaft sind nach der im BMF-Schr. enthaltenen Auffassung der Finanzverwaltung dagegen auch ohne aktive Einbindung in die Gestaltung „andere an der Gestaltung Beteiligte“, wenn ihre steuerliche Behandlung für die Steuergestaltung von Bedeutung ist.

Zum Begriff der Betroffenheit von Staaten im Zusammenhang mit der Definition der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO führt das BMF-Schr. in einem neu eingefügten Satz aus, dass dieser Begriff weit auszulegen sei und keine steuerliche Auswirkung voraussetze.

Im Hinblick auf das Kennzeichen Verlusterwerb sieht das BMF-Schr. nunmehr die Beendigung der Haupttätigkeit des verlustbringenden Unternehmens nach dessen Erwerb als zwingendes Tatbestandsmerkmal an. Die in der Entwurfsfassung vom 14.7.2020 noch enthaltene Tatbestandsalternative einer bereits vor dem Erwerb beendeten Haupttätigkeit wurde gestrichen.

Zum Kennzeichen der Einkünfteumwandlung betont die Finanzverwaltung in zwei neu eingefügten Sätzen, dass auch hier ein weiter Anwendungsbereich im Hinblick auf die an dieser Umwandlung Beteiligten gesehen wird. Insbesondere sollen auch Fälle, an denen nur ein Steuerpflichtiger (Stpfl.) beteiligt ist, oder Umwandlungen von Einkünften über mehrere Stufen erfasst sein.

Die bisherigen Ausführungen zur Behandlung von Personengesellschaften i.R. des Kennzeichens Zahlungsempfänger ohne Ansässigkeit bzw. mit Ansässigkeit in einem nichtkooperativen Steuerhoheitsgebiet wurden präzisiert. Die in der Entwurfsfassung des BMF-Schr. vom 14.7.2020 geäußerte Auffassung, dass dann, wenn eine transparente Besteuerung der Personengesellschaft nicht in allen betroffenen Staaten erfolgt (hybride Strukturen), Zahlungen immer mitzuteilen seien, wurde eingeschränkt.

Die negative Abgrenzung von Dividendenzahlungen, die im Empfängerstaat einer nationalen Steuerbefreiung unterfallen und im Quellenstaat von der Quellensteuer entlastet werden, als Sachverhalte, die nicht unter das Kennzeichen mehrfache Steuerbefreiung fallen, wurde präzisiert.

Darüber hinaus verweist das BMF-Schr. an verschiedenen Stellen neu auf Listen zu Präferenzregelungen und nichtkooperativen Steuerhoheitsgebieten, die nunmehr auf der Internetseite des BZSt zu finden sind.

II. Begriffsbestimmungen

1. An der Gestaltung Beteiligte


In den Regelungen zur Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen (§§ 138d ff. AO) finden sich an verschiedenen Stellen die Begriffe der „an der Gestaltung Beteiligten“ oder auch der „anderen an der Gestaltung Beteiligten“. Eine Definition dieser Begriffe enthalten die Regelungen jedoch genauso wenig wie die zugrunde liegende Richtlinie der EU. Dies ist eine elementare Unzulänglichkeit der gesamten Regelungen zur Mitteilungspflicht, denn die genaue Abgrenzung der „an der Gestaltung Beteiligten“ ist zentral für die Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine grenzüberschreitende Steuergestaltung i.S.d. § 138d AO vorliegt, da der Begriff Teil der Definition der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist.

Den gesetzlichen Regelungen lässt sich jedoch zumindest entnehmen, dass sich die an der Gestaltung Beteiligten aus den Nutzern der jeweiligen Gestaltung und den anderen an der jeweiligen Gestaltung Beteiligten zusammensetzen.

Auch die Abgrenzung zwischen dem Nutzer und den anderen an der Gestaltung Beteiligten ist für die Anwendung der Regelungen zur Mitteilungspflicht von erheblicher Bedeutung, denn neben dem Intermediär kann auch der Nutzer zu einer Mitteilung verpflichtet sein, nicht jedoch ein anderer an der Gestaltung Beteiligter, der nicht gleichzeitig auch Intermediär ist.

a) Abgrenzung des Nutzers vom anderen an der Gestaltung Beteiligten

Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Gruppe der an der Gestaltung Beteiligten sehr weit fasst. Die Gesetzesbegründung zum Kennzeichen Verlusterwerb 19 sieht sämtliche Personen als Beteiligte an, die (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.06.2021 10:20
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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